Kennen Sie das? Sie haben einen Termin mit einem wichtigen Kunden, mit Ihrem Vorgesetzten, Sie wollen eine neue Aufgabe angehen – oder noch schwieriger – eine wichtige Aufgabe, ein wichtiges Projekt beenden.  Und Sie wollen alles perfekt machen, bloß keinen Fehler! Sie wollen der Beste sein!

Wenn es Ihnen gelingt, was ist das für ein erhebendes Gefühl! Es RICHTIG gemacht zu haben! FEHLERLOS! PERFEKT! Ein Traum. Das wollen wir wieder. Genau so. Dafür müssen wir uns ganz schön ins Zeug legen, denn „wo kein Fleiß, kein Preis“. Und das tun wir auch. Wir beißen die Zähne zusammen, erstellen eine oder mehrere To-do-Listen und machen uns an die Arbeit. Hoffentlich klappt es diesmal auch! Es darf einfach nichts schief gehen!

Ich möchte das auch, ich möchte auch am liebsten keine Fehler machen und jede Aufgabe, vor allem die wichtigen, perfekt erledigen. Ich möchte keine Fehler machen, weder in meinem Job noch und vor allem nicht als Mutter. Doch geht das? Und wenn ich es versuche, was ist die Konsequenz?

Zuerst die erste Frage: Wie kann ich sicherstellen, dass ich keine Fehler mache, dass ich alles perfekt hinbekomme?

Verschiedene Ideen fallen mir da ein. Eine möchte ich mit Ihnen durchspielen in einem Gedankenexperiment:

„Meine Idee: Konzentriert und fokussiert sein und eine Aufgabe nach der anderen erledigen, nach Plan. Ein Plan, den ich genau vorher durchdacht habe. Ja, das ist gut. Das klingt ermutigend und umsetzbar.
Doch schon bei der Erstellung des Plans fällt mir auf, dass ich in manchen Fällen gar nicht genau weiß, was richtig ist. Das stresst mich schon ein bisschen, fast unmerklich. Hmm, wer entscheidet das, was richtig ist? Ist das, was ich für richtig halte auch für meinen Kunden das Richtige? Wird der Vorstand das genau so sehen wie ich? Tausende von Fragen. Ich mache mir ganz viele Gedanken, versuche mich in jeden hineinzuversetzen, um das Richtige in der Situation zu finden.
Dann mache ich mich fokussiert und konzentriert an die Erledigung der Aufgaben. Nichts leichter als das, mit einem gut durchdachten Plan, denke ich. Doch da habe ich mit dem Leben nicht gerechnet: Ein Kind wird krank, der Kunde verspätet sich, ein Virus macht die Runde und nichts läuft so wie geplant… . Ich werde immer gestresster und irgendwie auch schlecht gelaunt. Ich habe so viel zu tun und komme gar nicht hinterher, ich muss ja auch trotz des Unvorhergesehenen alles perfekt machen. Das bedeutet meistens Zusatzaufgaben, Zusatzanfragen, Zusatztermine… alles auf meine Schultern…. Und es scheint nie wirklich aufzuhören. Ich will mich ja entspannen… ich muss nur noch schnell alles perfekt erledigen.

Und dann habe ich auch noch manchmal schlechte Tage, wo ich müde bin, oder Kopfschmerzen habe, was mache ich dann? Zum Glück gibt es Medikamente und Kaffee. Gut schlafen kann ich häufig auch nicht, ich habe noch so viel im Kopf, noch so viel zu erledigen! Da gibt es auch ein paar Mittelchen. Und Meditieren müsste ich mal. Das mache ich bald. Oder ich erledige das eben auch noch schnell. So schnell wie ich kann keiner meditieren ?…“

Das war nur eine Geschichte, ein Gedankenexperiment. Aber tatsächlich, so wunderbar sich Perfektionismus auf dem ersten Blick anhört und so viele Erfolge er verspricht und auch in den ersten Monaten und Jahren vielleicht beschert, so voller Schattenseiten kommt er daher. Wie die Box von Pandora, verbergen sich dahinter langfristig:

  • Unzufriedenheit: Da wir nicht perfekt sind, niemand von uns, werden wir auch nie alles perfekt erledigen können. Jeder Fehler wird uns dabei zu schaffen machen.
  • Unangenehme Gefühle, wie: Enttäuschung, Traurigkeit und Scham, wenn wir etwas nicht geschafft haben; Aber auch Unruhe, Anspannung und eine mal bewusste, mal unbewusste Angst, Fehler zu machen, die immer mitschwingt.
  • Zu Beginn körperliche Symptome, langfristig körperliche Krankheiten. Durch die Daueranspannung bekommen wir häufig Muskel- und Skelett-Probleme, genauer gesagt, Rückenschmerzen, Kopf- und Nackenschmerzen. Unser Herz, unser Magen, unser Darm, unsere Haut…, können sich bei Dauerstress nicht mehr erholen, sie werden nicht gut genug versorgt und so entstehen Bluthochdruck, Magengeschwüre, Darmkrankheiten, Allergien… .
  • Negative Gedanken, negatives Selbstbild: „Ich kann nichts, ich bin nichts wert“ ist ein weit verbreiteter und häufig gedachter Gedanke. Die meisten werden so etwas ähnliches schon mal gedacht haben. Wenn diese Gedanken automatisch im Übermaß kommen, dann geht es uns bald nicht mehr gut.
  • Fehleranstieg: Durch Müdigkeit und wenig Entspannung nimmt unsere Konzentrationsfähigkeit ab, wir machen mehr Fehler (die ja für uns der Beweis sind, es nicht geschafft zu haben, versagt zu haben). Wir müssen uns nur noch mehr anstrengen, es nur noch besser machen, besser aufpassen, um bloß nichts falsch zu machen… Ein Teufelskreis entsteht.
  • Psychische Störungen: Wir können diesen Teufelskreis mehrmals durchleben (Perfektionismus -> Überanstrengung -> keine (kaum) Entspannung -> Abnahme der Ressourcen (Müdigkeit, Konzentrationsverlust, Symptome) -> Fehler -> noch mehr Überanstrengung…) bis wir irgendwann kollabieren. Entweder schleichend (Burn Out, Depressionen, Angststörungen), oder plötzlich, wenn wir vorher die Symptome nicht ernst genommen haben (Panikattacken, Anpassungsstörungen…)

Will ich so eine Pandora-Box? Wollen Sie die noch?

Also nach diesem Gedankenexperiment fällt mir die Entscheidung ziemlich leicht: Ich will nicht immer perfekt sein, ich will von mir nicht erwarten, alles perfekt zu machen. Natürlich gibt es bestimmte Aufgaben, wo Genauigkeit das A und O ist. Da darf sich mein Perfektionismus austoben. Aber nicht immer und überall. Also was nehme ich mir nun vor?

Ich nehme mir vor, imperfekt zu werden/zu sein, mehr Fehler zuzulassen, ja gar Fehler zu erwarten, und dabei mehr Farbe und mehr Freude zu entdecken. Denn das ist das, was bei dem ganzen Perfektionismus sehr schnell verschwindet: die Freude, die Freude an den kleinen Dingen, an den Momenten, die nicht vorher durchdacht, die nicht vorher geplant waren, die Freude an dem Leben, an meinem Leben, das wie jedes Leben begrenzt ist.

Fühlen Sie sich von diesem Thema angesprochen? Vielleicht irritiert? Haben Sie vielleicht brauchbarere Ideen entwickelt, ein perfektes Leben zu führen? Möchten Sie überprüfen, ob Sie auch perfekt imperfekt leben wollen? Ich begleite Sie gern bei Ihrer Entscheidung. Ich freue mich auf Sie!

Herzlichst imperfekt,

Ihre Ana-Maria Cuza

Dipl. Psychologin und Business Coach

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